Die Grenzlandkampagne

Eine Old-School D&D-Kampagne

Die Grenzlandkampagne war eine Dungeons & Dragons Kampagne, die in der fiktiven Welt Mystara spielte. Kern der Kampagne war das Modul B2 – Festung im Grenzland. Und ganz offensichtlich wurde von diesem Modul auch der Name für die Kampagne entlehnt. Neben dem klassischen Mystara Setting kamen in der Kampagne auch Elemente aus der Greyhawk-Welt vor, wie zum Beispiel die Ortschaften Hommlet und Nulb.

Die erste Session der Grenzland-Kampagne wurde am 08.04.2016 gespielt, die letzte am 23.04.2021. Über diese 5 Jahre spielten wir rund 50 Sessions. Zu Beginn in monatlichen Abständen, später alle 2 Wochen, und seit Anfang 2021 wöchentlich – immer mit einer Sommerpause von Ende April bis Ende September. Rund 20 Spieler:innen beteiligten sich in wechselnder Konstellation an der Kampagne. Rund 30 Charaktere starben im Verlauf der Kampagne … oh boy … Die alten D&D Varianten sind berühmt und berüchtigt für ihre “Tödlichkeit”.

Die Handlung

Zu Beginn spielten sich die Ereignisse der Kampagne zwischen der Festung im Grenzland und den Chaoshöhlen ab. Die Charaktere waren ins Grenzland gekommen, um auf Abenteuer auszuziehen, und so Ruhm und Gold zu gewinnen. Nicht wenige Charaktere bezahlten das mit ihrem Leben, und noch mehr Monster in den Wäldern und Höhlen mussten dran glauben. Schließlich überfiel der mächtige Drache Darpantor die Festung und die Charaktere waren gezwungen die Festung zu verlassen. Sie fanden Zuflucht im zwei Tagesreisen westlich gelegenen Hommlet und zogen fortan von dort auf Abenteuer aus. Zu Beginn auch noch gelegentlich in die Ruinen der Festung, die nun von Dämonen heimgesucht wurde.

Später – in der 4. Spielzeit – begab man sich auf eine Reise in das Reich der Zwerge im nördlichen Gebirge. Das Ziel war, Handelsbeziehungen mit den Zwergen aufzubauen, und andererseits einem der Spielercharaktere bei der Erfüllung ihrer Queste zu helfen. Am Ende wurde so ein von dunklen Mächten gefangener Golddrache – der “irdische” Avatar einer rechtschaffenen Gottheit – von den Spielercharakteren befreit, und das Land der Zwerge vor dem Verderben bewahrt.

Das Grenzland aus Sicht der Spieler

Schließlich trat mit der 5. Spielzeit ein seltsamer Kult auf den Plan. Die “Einmonder” – fanatisch rechtschaffene Kleriker und Zauberkundige aus der Hauptstadt Spekularum – hatten sich in den Kopf gesetzt, einen der beiden Monde Mystaras, den roten Mond Daro aus dem Himmel zu heben, um dadurch dem Chaos ein für alle mal Einhalt zu gebieten. Am Ende stellte sich heraus, dass alles eine Verschwörung des Drachen Darpantor war. Er hatte 50 Jahre zuvor mit einem anderen Drachen gewettet, dass es ihm gelingen würde Daro aus dem Himmel zu heben.

Allein, Darpantor verlor am Ende seine Wette. Den Spielercharakteren gelang es zwar nicht, die Einmonder an der Durchführung ihres wahnsinnigen Rituals zu hindern, doch sie konnten so viel Verwirrung stiften, dass es am Ende Maro, den anderen, helleren der beiden Monde traf. Selbst Darpantor, der die Wut über sein Scheitern an den Helden auslassen wollte, konnte in die Flucht geschlagen werden. Schließlich, durch das Zerreißen des Mondes, erschütterten heftige Erdbeben das Grenzland, tiefe Erdspalten rissen auf, und verschluckten so manchen Abenteurer für immer. Andere wurden auf fremde Ebenen gerissen, und nur wenige konnten später von den letzten Tagen des alten Grenzlandes berichten.

Die Quellen

Die Kampagne begann 2016 mit einem Spielabend mit Freunden, auf Grundlage des Basic Set von 1983, auch bekannt als “Rote Box”, und wie schon gesagt dem Modul Festung im Grenzland (beim System Matters Podcast gibt es übrigens eine empfehlenswerte Episode zur Festung im Grenzland).

Basic D&D und B1 – Festung im Grenzland

Im Laufe der Jahre ist ein dicker Aktenordner an Notizen zusammen gekommen, und ich habe als Regelmaterial für die Spieler 3 Bände Menschen & Magie geschrieben.

Der Kampagnenordner und Menschen & Magie

Außer dem Hauptplot gab es diverse Nebengeschichten, für die ich verschiedenste Quellen sowohl aus den alten Originalen, als auch aus der OSR-Szene genutzt habe:

Die übrigen Quellen der Grenzlandkampagne

Lessons Learned

Zeit in der Kampagne

Je länger die Kampagne lief, desto mehr habe ich den Zeitverlauf als Basis der Planungen und Vorbereitungen genutzt. Zu diesem Thema habe ich bereits hier etwas geschrieben. Wie Recht Gary Gygax mit dem folgenden Zitat hat:

EINE SINNVOLLE KAMPAGNE KANN ES OHNE DAS GENAUESTE FESTHALTEN DES ZEITVERLAUFS NICHT GEBEN.

Gary Gygax, AD&D Handbuch für Spielleiter, 1979

Umgang mit Charaktertoden

Old-School D&D ist wie eingangs bemerkt ein “tödliches” Spiel. Charaktere niedriger Stufen haben so wenig Lebenspunkte, dass ein einziger Schwerthieb die Karriere des Charakters beenden kann. In der ersten Spielsession hätte – streng nach Regeln – bereits nach etwa 10 Minuten Spielzeit der erste Charakter tot sein müssen.

Es ist wichtig Gefahren sehr deutlich zu machen, in dem mögliche Warnzeichen eindeutig beschrieben werden. Es sollte immer klar sein, dass sich die Spieler:innen sehenden Auges der tödlichen Gefahr gestellt haben, und selbst für das Wohl und Wehe des Charakters verantwortlich sind.

Ein besonderes Problem sind hier Zufallsbegegnungen, bei denen die Würfel ergeben, dass die Charaktere überrascht werden, und der Reaktionswurf eine feindselige Haltung oder sogar sofortigen Angriff gegen die Charaktere anzeigt. Solche Begegnungen haben häufig zu vorzeitigem Charaktertod geführt, wobei die Spieler kaum Gelegenheit hatten zu reagieren. Über die Gefährlichkeit solcher Situationen sollte man sich als Spielleitung immer im Klaren sein, und man sollte sich bemühen, wenigstens eine ungute Vorahnung entstehen zu lassen.

Wenn es schließlich doch dazu kommt, dass ein Charakter stirbt, dann sollte der Moment genutzt werden, dem Charakter noch einmal ein letztes Spotlight zu geben. Vielleicht stirbt er nicht sofort, sondern kann den Gefährten noch eine Botschaft mit auf den Weg geben, oder er reißt vielleicht einen Gegner mit in den Tod … eine goldene Gelegenheit für cinematische Dramatik.

Auf der anderen Seite gibt es in der Fantasywelt viele Möglichkeiten, verstorbene Charaktere aus dem Reich der Toten zurück zu holen. Diese Möglichkeiten wurden tatsächlich bis auf ein einziges Mal nie genutzt. Das ist eigentlich schade ist, denn der Versuch Wiederbelebung oder Reinkarnation für einen verstorbenen Charakter zu finden, ist natürlich ein hervorragender Aufhänger für weitere, durch die Spielercharaktere motivierte Abenteuer.

Erfahrungspunkte und Stufen

Zu Beginn der Kampagne gab es für jeden Charakter, der an einer Session teilnahm 500 Erfahrungspunkte, und zusätzlich 200 Erfahrungspunkte, die an einen beliebigen anderen Charakter verliehen werden durften. Ich hatte diese Regel eingeführt, da ich Sorge hatte, dass den Spielern das Erreichen neuer Erfahrungsstufen sonst zu langsam gehen könnte.

Leider führte diese Regel aus meiner Sicht aber dazu, dass sich die Spieler zu wenig um das Erreichen von Erfahrung auf dem klassischen Weg, nämlich durch das Sammeln von Schätzen, und das überwinden von Monstern kümmerten. Beides wichtige Story-Driver in einer klassischen Fantasy-Sandbox-Kampagne. Die Charaktere erwarben also nicht wirklich die Erfahrung die höherstufige D&D-Charaktere eigentlich haben sollten, und die Spieler:innen hatten wenig Anlass, entsprechende Strategien zu entwickeln.

Auch später, um diese Erkenntnis bereichert, habe ich es bis auf sehr seltene Ausnahmen nicht übers Herz gebracht, mit den Erfahrungspunkten strenger zu sein. Es hatte sich in der Kampagne eben etabliert, dass die Charaktere fast in jeder Sitzung 500 bis 1000 Erfahrungspunkte gut machten.

Ich möchte jeder Spielleiter:in empfehlen sich bei einer Kampagne mit den alten Regeln auch vertrauensvoll an die Standard-Regeln zu Erfahrungspunkten und Stufen-Aufstieg zu halten.

“Emergent Story-Telling

Als nächstes nehme ich mit, dass ich für meinen Geschmack noch viel zurückhaltender mit den der Planung von Abenteuern hätte sein können. Immer wenn ich das Gefühl hatte, die Charaktere wie auf Schienen durch eine Situation zu führen, lag das daran, dass ich zu viel vorgeplant hatte, und eine zu rigide Vorstellung davon hatte, was passieren sollte.

Dabei hat die Sandbox ihr Eigenleben, es gibt Nichtspielercharaktere, die etwas wollen, Gruppierungen mit konkurrierenden politischen Haltungen, Gerüchte und gelegentlich auch mal Auftraggeber, die helfen können eine Geschichte in Gang zu bringen. Aber der Impuls, die Motivation auf ein bestimmtes Abenteurer ausziehen, muss immer von den Spielercharakteren ausgehen. Erst, wenn die Charaktere von sich aus beginnen mit der Welt und den Nicht-Spielercharakteren zu interagieren, wenn sie beginnen eine eigene Agenda zu entwickeln, können authentische Geschichten – das emergent story telling- entstehen.

Die Kampagnenkarte aus Sicht der Spielleitung

Alle drei Punkte berühren letztlich ein gemeinsames Thema: die Spielmechaniken der Sandbox selbst bieten reichtlich Antrieb für Geschichten. Es ist unnötig, und sogar eher hinderlich, Abenteuergeschichten für die Charaktere voraus zu planen. Durch Ressourcenverbrauch und die Aktionen der Charaktere ergeben sich von selbst Spannungen, die zu Abenteuern führen. Damit das funktioniert, müssen diese Mechaniken allerdings auch zum tragen kommen können – dass bedeutet vor allem, dass die Spielleitung konsequent, unvoreingenommen, und unparteiisch die Regeln der Sandbox einhalten muss, die quasi als Erbe der Konfliktsimulations-Spiele in die DNA der alten Versionen von D&D eingebaut waren.

Eine recht späte Erkenntnis war schließlich, mich bei der Entwicklung der Welt auf die menschlichen Nicht-Spielercharaktere zu fokussieren. Wenn über D&D gesprochen wird, entsteht schnell der Eindruck, dass es in erster Linie eben um Dungeons und Dragons, also Monster ginge, und dass der Fokus auf dem Kampf gegen Monster läge. Aber es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die Abschnitte über Menschen in Monsters & Treasure, und im AD&D Monsterhandbuch, zu den längsten und detailliertesten Einträgen gehören. Auch Chainmail – das Regelheft für das Spiel mit Zinnsoldaten, welches als Vorläufer von Dungeons & Dragons gilt, beschäftigt sich ja in erster Linie mit Konflikten zwischen menschlichen Gruppierungen. In der zwischenmenschlichen Interaktion liegen natürlich die wahren Quellen für spannende Geschichten und Abenteuer, und wenn man sich die Details der Regeln genauer ansieht, wird auch deutlich, dass die Kampfwerte der menschlichen Kontrahenten viel besser und fairer mit den Werten der Spielercharaktere ausbalanciert sind, als die der Monster – letztere sind eben in erster Linie monströs und gefährlich.

Die Geschichten in einer Fantasy-Sandbox erzählen die Charaktere am besten selbst. Alles was es braucht ist eine plausible, wenn auch fantastische, lebende Welt, Nichtspielercharaktere, die ihre eigenen Ziele verfolgen, und Gerüchte und Situationen, die den Charakteren einen Einstieg ermöglichen.

Mit einer tiefen Verbeugung danke ich allen Spieler:innen dieser Kampagne für die Geschichten, die wir im Laufe dieser fünf Jahre erzählt haben!